Cornelia Mittendorfer
green line
evocative of an archeology of desperation and desire
Am Beispiel von Zypern untersuche ich die Komplexität eines der noch immer ungelösten Konflikte. Der Fokus liegt auf der Veränderung von Räumen, auch ihrer Umnutzung und Säkularisierung durch die mehr als 40-jährige Besetzung des Nordens. Dazu kommen Portraits von Menschen, die mir ihre Geschichte anvertraut haben. Gemeinsam mit der Textebene im Buch schaffe ich einen Resonanzraum mit Bruchlinien und Widersprüchen. Eine Erzählung und keine Dokumentation.
Mich interessieren Räume und ihre Rolle im Imaginären, besonders im Hinblick auf ihr soziopolitisches
Erbe. Besondere Räume der Erinnerung sind die, deren sakrale Bedeutung entleert oder überlagert wurde. Der Appeal diese Orte wird ständig erschüttert durch den Blick auf Spuren der gewaltsamen Geschichte.
Traumatische Ereignisse halte ich im Wesentlichen für undarstellbar. Sie lassen sich nicht auf abbildbare Wirklichkeitselemente reduzieren. Meine Fotografien verstehe ich als eine Befragung der Ambivalenz fotografischer Abbildung. Ich mißtraue der bloßen Erscheinung der Dinge. Schmerz, Scham, Schweigen oder auch Glück zB sind nicht unmittelbar sichtbar.
Ich muss in den Ort "hineinhören", erst in dieser Auseinandersetzung entsteht das, was ich fotografieren will. Dabei konstruiere ich Bilder, ausgehend von Realem. Ich will Leerstellen erzeugen, Orte des Imaginären, Meditationen über Erkenntnis, aber auch über Hoffnung, über etwas, das sich der Zerstörung widersetzt.
Die Fotografie ist auch ein sozialer Prozeß. Ich hörte in meinem inneren Ohr die Geschichten der Menschen, all ihre Versionen und Wahrheiten, während ich nach den Bildern suchte. Ich stelle mir auch die Frage, wie weit ich in die Orte der Traumata und in die Menschen eindringen darf. Ich halte einen Respektabstand für angemessen.
Die Frage der Abbildbarkeit war besonders brisant bei der Arbeit in den antropologischen Labors des Committee's on Missing Persons. Hier war mein Konflikt, Hinzuschauen oder Wegzuschauen am größten. Ich habe mich dafür entschieden, meinen Blick auch auf die dort beschäftigten Anthropolog_innen in ihrem Arbeitsalltag zu richten, die die ausgegrabenen Überreste anderer Menschen identifizieren.
Jede Fotografie ist eine Geste, die gleichzeitig andere Möglichkeiten ausschließt. Das war hier außerdem behindert von Verboten, Vergessen, Verleugnung.
Der umfangreiche Bevölkerungsaustausch zwischen dem Norden und dem Süden der Insel bedeutet auch, dass Menschen die Erinnerungsorte der jeweils anderen Gruppe nicht kennen oder verleugnen. Militärsperrgebiete, administrative Bedingungen eines jahrzehntelangen Waffenstillstands, schlechte kartographische Informationen und wechselhaft gebrauchte Ortsnamen als Operationsfeld des Konflikts schränkten die Freiheit von Zugang und Blick erheblich ein. Auch da, wo ich eine Genehmigung für Sperrzonen erhalten konnte war der Teil des Erlaubten genau definiert und kontrolliert.
Ich kann nur davon erzählen was ich wahrgenommen habe, bedingt von dem, was sichtbar und erfahrbar ist. Das bedingt nicht nur die Darstellbarkeit von Realem an sich, sondern mehr noch eines kontrovers sich überlagernden "Realen", dessen Uneindeutigkeit Gegenstand der Politik ist.